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Thomas Müller, Different Lines

Von Helmut A. Müller | In Kunst

Herausgegeben von Patrick Heide Contemporary Art zur gleichnamigen Ausstellung vom 19.3. – 25.5. 2015
in London mit Texten von Patrick Heide, Thomas Müller und Christoph Schreier

Patrick Heide Contemporary Art London, 2015, ISBN 978-0-9933202-0-0, 128 Seiten, Hardcover, Leinen,
Fadenheftung, Format 26,5 x21,5 cm

Skizzenbücher eröffnen den unmittelbarsten Zugang zum bildnerischen Denken eines Künstlers. Das zur
Londoner Ausstellung von Thomas Müller erschienene bibliophile Künstlerbuch hat etwas von einem
Skizzenbuch. Die ersten 13 Seiten sind den Zeichnungen gewidmet. Auf den Seiten 14 und 15 folgen die
Werkangaben zu diesen Zeichnungen und auf der Seite 16 erneut eine Zeichnung. Erst auf Seite 17 folgt der
Titel, auf Seite 19 das Inhaltsverzeichnis und auf den Seiten 20 und 21 das Vorwort. Trotz zweier weiterer
Texte und weiteren Werkangaben herrscht der Eindruck vor, dass es in allererster Linie nicht um Worte,
sondern um das grandiose, immer aufs Neue überraschende und stets an neuen Erfindungen teilhaben
lassende zeichnerische Werk des in Stuttgart lebenden Künstlers geht. Offenkundig versteht Müller
Zeichnung als ein offenes handschriftliches System, das sich dem Erkunden der Spannung verschrieben hat,
die entsteht, wenn Linien den Grund aktivieren, auf denen sie zu stehen kommen.

Zeichnung beginnt nach Müller, „ wenn wir auf etwas zeigen, etwas herausheben, unterscheiden. Wir trennen
es vom Rest. Die Markierung bleibt in der Spannung zum leeren Raum der Oberfläche: dort das unmarkierte,
unvermessene Kontinuum des Grundes, hier das Zeichen, die Energie der Linie, die den Grund aktiviert.
Etwas wird abgetrennt und in Beziehung gesetzt, durch Berührung. Linien teilen, Linien verbinden.
Vielleicht vermögen die besten Linien beides zugleich … Jede neue Zeichnung stellt her, was fehlt, jede
Zeichnung ein Knoten, der das Gewebe erweitert und stabilisiert. Meine Arbeit wächst durch Wiederholung
und durch Abweichungen. Es entsteht ein ständig sich veränderndes Netzwerk von Bezügen … So wächst
das Corpus meiner Blätter rhizomatisch nach verschiedenen Seiten gleichzeitig, unterschiedliche, ja
widersprüchliche Gedanken und Impulse miteinander verknüpfend. In der Zeichnung wird das Denken
körperlich und unmittelbar“ (Thomas Müller S. 87).

Die im Künstlerbuch neben den Einzelarbeiten wiedergegebenen Fotografien der von Müller eigenhändig
arrangierten Installation seiner Zeichnungen zeigen seine Vision am deutlichsten: „ Ob minimalistisch in
Komposition, frei in ihre Zeichenart oder sogar ungestüm, ob rein intuitiv oder eher strukturiert und
beherrscht aufgebaut, Thomas Müllers unterschiedliche Zeichnungen verknüpfen sich irgendwo. Wenn Sie in
der für den Künstler typischen offenen Rasterformation hängen, gehen Motive, Techniken und
Kompositionen zwar ihre eigenen Wege, kommen aber gleichzeitig auch wieder zusammen. Das Ergebnis
ist, was man die Vision des Künstlers Thomas Müller nennen mag. Die Summierung unterschiedlicher
kreativer Wege und Experimente, das Neuentwickeln und Wiedererscheinen verschiedener Zeichnungstypen,
sie werden am Ende alle eins. Trotz der Unterschiedlichkeit und des konstanten Verschiebens von Grenzen
überwiegt ein Gesamtgleichgewicht“ (Patrick Heide S. 21).

ham, 24.7.2015

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