108 Photographien von 42 Photographen, herausgegeben von Lothar Schirmer, mit einer Einführung von Norbert Frei
Schirmer/Mosel, München, 2015/2025, ISBN 978-3-8296-1033-9, 216 Seiten, 108 Duotone- und Farbtafeln, Hardcover gebunden, mit Schutzumschlag, Format 29,5 x 21,1 cm, € 29,80
1945 hat sich in der deutschen und europäischen Erinnerung als tiefe Zäsur verankert (vergleiche dazu und zum Folgenden Gabriele Metzler, 1945 als globale Zäsur. In: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/303639/1945-als-globale-zaesur/). Der Zweite Weltkrieg hatte allein in Europa rund 40 Millionen Menschen das Leben gekostet; sechs Millionen Menschen jüdischer Herkunft waren ermordet worden. Weite Teile des Kontinents waren zerstört. Die Siegermächte übernahmen die Herrschaft. Die Grenzen verschoben sich. Winston Churchill sprach schon im Frühjahr 1946 davon, dass sich ein „eiserner Vorhang“ über Europa gesenkt habe. Mit dem erfolgreichen „Trinity“-Test am 16. Juli 1945 und dem erstmaligen Abwurf der Uranbombe „Little Boy“ über der japanischen Großstadt Hiroshima begann das Nuklearzeitalter, mit der am 24. Oktober1945 in Kraft getretenen Charta der Vereinten Nationen die UN. Zu einem selbständigen und durchsetzungsfähigen Akteur in der internationalen Politik wurde die UN aber erst, als sich die bipolare Weltordnung mit dem Ende des Kalten Krieges aufgelöst hatte. Die unmittelbare Zukunft gehörte 1945 aber den beiden Weltmächten USA und Sowjetunion, die die globale Ordnung in den folgenden gut vier Jahrzehnten im Wesentlichen prägten.
Wer als nach 1945 Geborener die von Lothar Schirmer zusammenstellten Photographien von bedeutenden Bildreportern und PhotographInnen vor dem Hintergrund der neuen Kriege an sich heranlässt, beginnt zu begreifen, warum sich die Generation der Eltern vor neuen Kriegen gefürchtet und kaum über ihre Rolle in den Jahren zwischen 1933 und 1945 gesprochen hat. In den zwanzig Kapiteln des Bandes zählen Richard Peters Bild von der zerstörten Dresdener Altstadt (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Blick_vom_Rathausturm_nach_Süden), Lee Millers Foto vom zerstörten Kölner Dom (vergleiche dazu https://www.domradio.de/artikel/lee-millers-bilder-vom-zerstoerten-koeln-im-maerz-1945), Robert Capas Bild eines im Häuserkampf erschossenen amerikanischen Soldaten zu den eindrücklichsten. Harry Millers Bild von Baracke 56 des KZs Buchenwald nach der Befreiung am 16. April 1945 mit Elie Wiesel in der 2. Reihe von unten am 3. Pfosten (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Foto_aus_Baracke_56_des_Kleinen_Lagers_in_Buchenwald) und das kurz nach der Befreiung des Lagers durch die sowjetischen Truppen aufgenommene Foto des polnischen Photographen Stanislaw Mucha vom Torhaus des Konzentrationslagers Auschwitz (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Foto_vom_Torhaus_Auschwitz-Birkenau und den Artikel „Das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz“ unter https://www.bundesarchiv.de/themen-entdecken/online-entdecken/themenbeitraege/das-konzentrationslager-auschwitz/) dokumentieren den Abgrund menschlicher Möglichkeiten. Dass beim letzten Treffen der „großen Drei“ zu Kriegszeiten auf der Konferenz von Jalta Geschichte geschrieben worden ist, ist heute unbestritten (vergleiche dazu https://deutsch.wikibrief.org/wiki/Yalta_Conference und https://www.memorialmuseums.org/memorialmuseum/museum-der-konferenz-von-jalta#pid=4). Joe Polowsky Photo auf der Brückenruine von Torgau steht für die Vorstellung, dass die Nationen dieser Erde in Frieden leben sollten müssten (vergleiche dazu https://www.mdr.de/geschichte/ns-zeit/zweiter-weltkrieg/1945/elbetag-elbe-day-torgau-handschlag-an-der-elbe-us-armee-sowjetarmee-soldaten100.html und https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article207439973/Torgau-1945-Alles-vollzog-sich-vor-einem-Leichenfeld-deutscher-Frauen.html). Henri Cartier-Bressons Foto von der Enttarnung einer ehemaligen Informantin der Gestapo (vergleiche dazu https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article207372897/Ikonisch-Henri-Cartier-Bresson-in-Deutschland-1945.html) zeigt die Schwierigkeit der Alliierten, dem Recht und nicht der Rache Geltung zu verschaffen. Alfred Eisenstaedts Kuss-Szene am Victory over Japan Day vom 14. August 1945 (vergleiche dazu https://bildbeschreibungen.com/2016/10/01/100-meisterwerke-33-der-kuss-am-times-square-von-alfred-eisenstaedt/) kann den Abwurf von „Fat Man“, der zweiten zum Einsatz gekommenen Atombombe auf Nagasaki, nicht vergessen machen (vergleiche dazu https://www.pressenza.com/de/2015/08/die-geschichte-der-waffe-die-die-existenz-der-menschheit-bedroht-die-atombombe-1-teil/ und https://www.gettyimages.de/search/2/image?phrase=atombombenabwurf+auf+hiroshima). Und Ray D’Addarios Fotos vom Nürnberger Prozess (vergleiche dazu https://www.gda.bayern.de/fileadmin/user_upload/PDFs_fuer_Publikationen/Lehrausstellungen/3QE_2021-2024_Umhoefer_DAddario_14.11.2023.pdf) stehen allenfalls für den Anfang der Aufarbeitung der vier Anklagepunkte Verschwörung gegen den Frieden, Verbrechen gegen den Frieden durch einen Angriffskrieg, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Der Einleitungstext aus der Feder des bekannten Zeithistorikers Norbert Frei bietet auf wenigen Seiten einen auf deutsche Leser zugeschnittenen Abriss des Epochenjahres 1945.
ham, 31. März 2025