Originaltitel: The Anatomy of Colour. The Story of Heritage Paints and Pigments, London, 2017
Übersetzt von Nina Loose
DuMont Buchverlag, Köln, 2018, ISBN 978-3-8321-9943-2, 352 Seiten, 1000 farbige und 100 s/w Abbildungen, Hardcover geprägt, Format 27 x 21,5 cm, € 49,00
Wer wissen will, wann und wo die Farben „Lichtpfirsichblüthroth“, „Entengrün“ und „Spanisch Orange“ zum Einsatz kamen, welche Farben sich hinter „Infantin“, „Hoffnung“ und „Glaube“ verbergen und wo Milchfarben, Kalkmilch, Leim- und Ölfarben in historischen Gebäuden zum Einsatz kamen, wird in Patrick Batys Geschichte traditioneller Farben und Pigmente fündig. Der 1956 geborene Spezialist für historische Anstrichfarben und Berater bei Restaurierungen dokumentiert in seinem glänzend gestalteten Reader nicht nur gängige Farbtabellen vom „Wiener Farbkabinett“ aus dem Jahr 1794 bis zum sich ausschließlich auf Pflanzenarten beziehenden Farbfächer der königlichen Gartenbaugesellschaft aus dem Jahr 1986, sondern gibt auch einen Einblick in die Herstellung von Öl-, Leim- und Bleifarben, erklärt, warum letztere giftig sind und listet zudem die wichtigsten Pigmente und Arbeitsmittel auf.
Im Kapitel „Traditionelle Pigmente“ wird „Realgar“ so eingeführt: „Das Pigment wurde meist im Zusammenhang mit gelbem Arsensulfid, bekannt als Auripigment, erwähnt und war die rote Variante dieses Minerals. Realgar kam in der Natur vor, konnte aber auch synthetisch – durch Verschmelzen von Arsen und Schwefel – hergestellt werden. Als roter Farbstoff fand es in Lacken Verwendung. Schon früh war man sich der Toxizität dieses Pigments bewusst und so ist zu vermuten, dass man nur in Ausnahmefällen auf Realgar zurückgriff“ (Patrick Baty S. 63). Über die Herstellung von Milchfarben erfährt man Folgendes: „Man nehme knapp zwei Quarts entrahmte Milch, rund sechseinhalb Unzen frisch gelöschten Kalk, vier Unzen Leinöl, drei Pfund Schlämmkreide. Man fülle den Kalk in ein Steingefäß und gieße so viel Milch dazu, dass eine cremig-flüssige Masse entsteht; sodann gebe man unter Rühren mit einem Spachtel nach und nach Öl hinzu, zuletzt noch die restliche Milch und die Schlämmkreide. Unter keinen Umständen die Milch sauer werden lassen“ (Patrick Baty S. 41). Und von Kalkmilch heißt es, dass sie das einfachste Anstrichmittel überhaupt ist, mit gelöschtem Kalk hergestellt wird, nach dem Anstrich noch durchsichtig ist und opak wird, sobald sie sich zusammen mit dem Kohlenstoffdioxid der Umgebungsluft in Calciumcarbonat verwandelt (vergleiche Patrick Baty S. 38). Kalkmilch kommt heute noch in Kellern und Ställen zur Anwendung.
Fotos von Händels Probenraum und seinem Sterbezimmer im Handel House Museum in London zeigen, wie ab den 1730-er Jahren mit Bleigrau und Schokoladenbraun umgegangen worden ist, ein Foto von der von James Watt gegen Ende des 18. Jahrhunderts gestalteten großen Bibliothek im Goodwood House in Sussex dokumentieren ein Etruskischrot und Lithografien, Gemälde und Fotografien aus der Nachkriegszeit legen dar, warum sich durch die aus ökonomischen Gründen kompakter, geradliniger und kleiner gebauten Häusern die Notwendigkeit ergab, neue Farblösungen zu finden: „Hatte zuvor jeder Raum im Haus einem ganz bestimmten Zweck gedient, gab es nun aus platztechnischen Gründen auch kombinierte Raumlösungen. Eine selektive Farbgestaltung wurde daher um so wichtiger, genauso wie fließende Übergänge bei der Ausmalung. In der Schule sowie am Arbeitsplatz wurde Farbe nun gezielt dazu eingesetzt, Räume zu beleben, Strukturen zu schaffen oder düstere Gänge aufzuhellen“ (a. a. O. S. 302).
ham, 4. Februar 2019