Konrad Theiss Verlag, Darmstadt , 2014, ISBN978-3-8062-294-6, 192 S., zahlreiche s-w-Abbildungen und Tabellen, 30 Landkarten, Klappenbroschur, Format 21,7 x 14,4 cm, € 19,95
Wer vor zehn, fünfzehn Jahren in der Landeshauptstadt Stuttgart davon gesprochen hat, dass er sich als in Nordheim bei Heilbronn geborener als Franke und nicht als Schwabe versteht, hat wenn nicht Kopfschütteln, so zumindest Erstaunen ausgelöst. Das war auch unter dem Gesichtspunkt verständlich, dass Eberhard im Bart schon 1495 mit der Weiterführung des Landgrabens an der nördlichen Grenze seines Herzogtums von der Neckarschleife zwischen Nordheim und Klingenberg bis zur Heuchelberger Warte unmissverständlich klargestellt hatte, dass Nordheim zu Württemberg gehört. Damit zählte Nordheim im Herzogtum zur Verwaltungseinheit ,unter der Steig’, die von der Alten Weinsteige in Stuttgart bis an die eben skizzierte Grenze gereicht hatte. Aus ,unter der Steig’ ist im Stuttgarter Sprachgebrauch das Unterland geworden. Im Heilbronner Raum fasst man den Begriff dagegen enger und versteht unter Unterland das Heilbronner Becken und seine Seitentäler. An die fränkischen Wurzeln des so gefassten Unterlands hatte in Stuttgart kaum einer gedacht. Inzwischen dürfte sich diese engere Fassung des Begriffs und der Bezug zu Franken durch die Rede von der Weinregion Württembergisch Unterland und von Heilbronn als württembergisch-fränkischer Metropole auch bis nach Stuttgart herumgesprochen haben.
Der 2014 von Hubert Klausmann vorgelegte Forschungsbericht über das Schwäbische in der süddeutschen Sprachlandschaft bestätigt die Zuordnung Nordheims zum Fränkischen aus der Sicht der Dialektforschung. Demnach gehört zwar das Zabergäu südlich des Heuchelbergs, Pforzheim, Vaihingen /Enz, Bad Wildbad und auch noch Calw von den dort gesprochenen Dialekten her zum schwäbisch-fränkischen Übergangsgebiet und Heilbronn und Schwaigern sind zu einer schwäbischen Vorzone im Fränkischen geworden. Aber die Grundsprache bleibt der fränkische Dialekt. „Stellt man alle Lautmerkmale zusammen“, muss man „die Grundmundart von Heilbronn … zum südfränkischen Raum rechnen. Diese Zuordnung ist umso mehr nachvollziehbar, als dass man auf den Karten erkennen kann, dass fast alle Merkmale, die für das schwäbisch-fränkische Übergangsgebiet charakteristisch sind, erst südlich Heilbronn, in Höhe von Lauffen am Neckar, beginnen. Heilbronn zeigt daher doch Lautungen, die charakteristisch für das Fränkische sind: i, ü,u werden hier vor -r zu ä (Kärch) beziehungsweise -o- (Worscht), das -g- wird nicht mehr als reines -g- ausgesprochen, sondern klingt schon nach einem -ch-, und viele Wörter mit offener Silbe wie „Le-der“ oder „Ho-bel“ werden kurz ausgesprochen. Gleichzeitig fehlen typische schwäbische Lautbesonderheiten wie Hous „Haus“, Zeit „Zeit“, Heiser „Häuser“ oder die Entwicklung von -i- und -u- zu -e- und -o- in benda „binden“ und bonda „gebunden“… Wenn wir also nach rein lautlichen Kriterien gehen, was in der Dialektforschung traditionell gemacht wird, dann können wir Heilbronn schon außerhalb des schwäbisch-fränkischen Übergangsgebiets einordnen.
Nun haben wir … aber auch den Wortschatz untersucht … Immer wieder können wir feststellen, dass schwäbische Wörter – vermutlich über das „Verteilungszentrum“ Heilbronn – sowohl nach Westen (bis Schwaigern), nach Osten (bis Neuenstadt am Kocher) als auch nach Norden (bis Gundelsheim) vorgestoßen sind. Hier ergibt sich ein dem schwäbisch-fränkischen Übergangsgebiet vorgelagerter Streifen von Schwaigern bis Neuenstadt, in einigen Fällen auch ein Keil den Neckar entlang bis Gundelsheim. Beispiele für typisch schwäbische Wörter nördlich von Heilbronn wären: Leintuch (fränkisch Bettuch), Gsälz (fränkisch Muß) „Marmelade“… , Bühne (fränkisch Speicher), … , Luggeleskäse (fränkisch weißer Käse) „Quark“. So ergibt sich doch ein kleiner Raum nördlich Heilbronn, der quasi innerhalb des Fränkischen eine Vorstufe zum Schwäbischen darstellt. Man könnte diesen Raum auch als schwäbische Vorzone bezeichnen“ (Hubert Klausmann, a.a.O S.62 f.). Dass die Dialektgrenze zwischen Schwäbisch und Fränkisch nicht immer so kompliziert ist, zeigt das Jagsttal zwischen Ellwangen und Crailsheim: Es gilt als die schärfte Dialektgrenze Baden-Württembergs. „Auf fränkischen Gebiet liegen Geifertshofen, Himmelsweiler, Gründelhardt, Appensee, Weipertshofen, auf schwäbischen Gebiet liegen Bühlerzell, Bühlertann, Rosenberg, Jagstzell, Stimpfach. Bei der Frage nach der Ursache für die dort existierende gewaltige Dialektgrenze muss man auf den Beginn der Besiedlung dieses Raums zurückgehen“ (Hubert Klausmann, a.a.O. S. 65 f.).
Der Hauptteil des Forschungsberichts widmet sich neben den Außengrenzen des Schwäbischen den schwäbischen Dialektlandschaften, ihrer Innengliederung und der Frage, was das „Schwäbische“ ausmacht. Dazu kommen ein Kapitel über den schwäbischen Wortschatz, ein weiteres über Schwäbisch als Gegenstand der Sprachwissenschaft und als Einleitung zehn Fragen an die Dialektforschung. Dieser allgemeine Teil beginnt mit der Frage, wo unsere Dialekte herkommen und endet mit der Frage, ob es noch etwas typisch Schwäbisches außer dem Dialekt gibt. Nach Klausmann verweisen einige auf schwäbische Erfolgsrezepte wie Flädlessuppe, Kässpätzle und Zwiebelrostbraten, die aber eher als süddeutsche und nicht als schwäbischen Besonderheiten gelten müssen. Andere schließen aus den sogenannten Schwabenwitzen auf den schwäbischen Charakter. Aber diese Witze sind typisch für Witze, die man von Nachbarn macht. Auch die Familien-und Wirtshausdamen helfen letztlich nicht weiter. „Damit können wir auch die letzte der zehn Fragen beantworten: Etwas typisch Schwäbisches außer dem Dialekt haben wir nicht“ (Hubert Klausmann, a.a.O. S. 44).
ham, 7.1. 2015