Mit Texten von Francesco Bonami, Catherine Cafopoulos, Marina Fokidis, Helmut Middendorf, Jürgen Weichardt
Kerber Verlag, Bielefeld, 2019, ISBN 978-3-7356-0480-4, 329 Seiten, 251 farbige und 21 schwarzweiße Abbildungen, Hardcover, gebunden, Format 31,5 x 24,5 cm, € 65,00 (D) / CHF 79,82
Es gibt Künstler, die sich ein Leben lang an einem von ihnen erfundenen Markenzeichen abarbeiten. Und es gibt Künstler, die ihr Leben der Erforschung und der Entwicklung von neuen Bildideen und künstlerischer Methoden widmen. Der 1953 in Dinklage geborene Maler, Filmer, Zeichner, Fotograf und Collagist gehört zu Letzteren. Wer den Karl Horst Hödicke-Schüler, jungen Wilden und Mitbegründers der Berliner Galerie am Moritzplatz allein mit seinen heftigen Großstadt-, Tanz- und Nachtbildern aus den letzten 1970er- und 1980er-Jahren verbindet (vergleiche dazu etwa helmut middendorf, https://www.hatjecantz.de/die-neuen-wilden-6464-0.html und Martin Engler, Die 80er. Figurative Malerei in der BRD, Ostfildern 2015), wird sich über Middendorfs nach seiner Begegnung mit der Athener Galeristin und späteren Frau Eleni Koroneou vor allem in Athen in vielfältigen Schattierungen von Grau gemalten ›Omonia-Bilder‹ wundern. ›Omonia‹ spielt auf einen zentralen Platz in Athen an; die Stadt selbst ist kaum sichtbar. Stattdessen begegnet man gesichtslosen, silhouettenhaften Köpfen und gitterartige Strukturen mit eckigen und runden weißen Aufhellungen, die an nächtliche Fenster und Straßenlaternen erinnern.
Später folgen die ›Banale Grande-Bilder‹, die sich auf die menschliche Figur, Architektur und Kunstgeschichte, das Alltagsleben, Mode, Musik und die urbane Verderbtheit beziehen, die abstrakten ›Pixelline-Bilder‹, die ›Printen Matter-Bilder‹ und die Serien ›Logos, Stripes and Splashes‹ und ›Over the Under the Over‹. Der letztgenannte Titel „verweist darauf, dass die Bilder aus vielen Malschichten entstanden sind und wie Multiscreens funktionieren“. In ›Logos, Stripes and Splashes‹ sind vorrangig abstrakte Kompositionen zusammengefasst. „Seit 2015 entstehen neue Logo-Paintings. Schon zwanzig Jahren vorher habe ich Logos in Bildern verwendet. Diese Bilder verbinden die Erfahrungen der abstrakten Bilder mit den Collagen. Sie arbeiten zumeist mit einer leuchtenden Farbigkeit, in große, freie, spontane Kompositionen sind Collageelemente und Logos integriert. Die Wirkung der Logos kann ironisch, absurd oder irritierend sein. Die meisten Logos habe ich selbst entworfen […]. Es gibt zwischen all diesen Serien Querverbindungen. Rückblickend kann man sehen, dass auf eine Phase gegenständlich oder figurativ gehaltener Bilder eine Phase mit abstrakten Bildern folgt. Und ähnlich wie in den 1980er-Jahren folgte auf ein sehr farbbetonte Serie eine auf schwarz-weiß oder grau konzentrierte Serie […].
Schon Ende der 1980er-Jahre hat sich meine Art des Bildermalens verändert. Die meisten Bilder entwickle ich heute auf dem Atelierboden. Oft male ich mit sehr vielen Farbschichten, mit abstrakten Strukturen, frozen gestures, benutze Farbrollen, All-over-Strukturen, ich projiziere Dias, collagiere, arbeite mit Linien und Flecken und reagiere auf Zufallsergebnisse. Ich schütte mit Farben, wische und arbeite mit einer Rakel. Auch die Art des Farbmaterials hat sich permanent erweitert: Ich verwende Acryl, Öl, Tuschen, Ölkreiden, Oilsticks, Flashe und Farbsprays. In den 1990er-Jahren habe ich auch angefangen, 16-, 18- oder 32-teilige Bilder zu malen, große, wandfüllende Bilderkompositionen unterschiedlicher Technik. Das Ergebnis sind große, korrespondierende Materialcollagen“ (Helmut Middendorf S. 10).
Die vorliegende Publikation gibt einen Überblick über die letzten 25 Jahre von Middendorfs Schaffen. Ein Großteil der Bilder und Collagen aus den vergangenen fünfzehn Jahren wird zum ersten Mal zusammen mit bisher unveröffentlichtem Foto- und Bildmaterial aus seinem persönlichen Archiv publiziert.
ham, 14. Februar 2020