Der 1936 in Ilmenau geborene und 2009 in Stuttgart verstorbene Galerist, Mitbegründer des Kölner Kunstmarktes und Erfinder von Mariposa Hans-Jürgen Müller hat sich immer wieder darüber aufgeregt, dass Museen Kunstwerke von begabten Künstlern in aller Regel erst ankaufen, wenn sie 30 Jahre auf dem Markt gewesen sind. Analoges könnte man auch zu der Praxis anmerken, dass sie Künstlerinnen und Künstlern erst 30 Jahre nach ersten Markterfolgen große Ausstellungen  ausrichten, so wie es die Staatsgalerie Stuttgart derzeit mit der Landesausstellung »Katharina Grosse – The Sprite Dear« im Kunstgebäude am Schlossplatz tut. Natürlich weiß jeder, der im Kunstsystem unterwegs ist, dass erste Erfolge noch nichts über den späteren Rang aussagen. 30 Jahre sind im schnelllebigen Kunstsystem eine lange Zeit und die Variablen, die über Erfolg oder Misserfolg mitentscheiden, sind nicht vorausberechenbar. Deshalb ist die Vorsicht der Institutionen durchaus verständlich. Aber auf der anderen Seite könnten sie mit einer etwas höheren Risikobereitschaft viel Steuergeld sparen.

Der nicht aufzuholende Vorteil eines längeren Zuwartens besteht dann darin, dass Kuratoren Entwicklungen in einem künstlerischen Werk aufzeigen können, die in der Frühphase noch nicht erkennbar waren. So war der Weg Katharina Gosses vom bemalten Hühnerei zu den in Sprühtechnik über Objekte, Architektur und ganze Landschaften gelegten Bildern nicht zu erahnen, auch wenn sie heute verlautet, dass zweidimensionale Malerei für sie nicht existiert, die Leinwand selbst ein dreidimensionales haptisches Objekt ist und ein Bild überall auftauchen kann, sei es auf einem Ei, in der Armbeuge, in Schnee und Eis oder am Strand (vergleiche dazu Katharina Grosse in der Presseinformation zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg im Kunstgebäude am Schlossplatz unter https://www.staatsgalerie.de/sites/default/files/2025-02/staatsgalerie_grosse_pressetext.pdf). 

Während Grosse in ihrer noch bis zum 14. September 2025 laufenden Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen auf monumentale Malereien auf Leinwand und Erde setzt (vergleiche dazu Katharina Grosse Wunderbild unter https://www.deichtorhallen.de/ausstellung/katharina-grosse), steht in Stuttgart erstmals ihr plastisches Schaffen von frühen Materialexperimenten aus der Studienzeit an der Düsseldorfer Kunstakademie bis hin zu ihren neuesten Werken im Vordergrund (https://www.staatsgalerie.de/sites/default/files/2025-02/staatsgalerie_grosse_pressetext.pdf). Das kostenfreie PDF des Katalogs kann nach seiner Veröffentlichung über die Pressestelle der Staatsgalerie angefragt werden.

ham, 14. August 2025

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