Reihe Digitale Bildkulturen, herausgegeben von Annekathrin Kohout und Wolfgang Ullrich im

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 2020, ISBN 978-3-8031-3692-3, 80 Seiten, mit vielen Abbildungen, broschiert, € 12,00

Timothy Garten Ash hat vor einigen Jahren empfohlen, sich von Hass und Lügen im Netz nicht so leicht aus der Fassung bringen zu lassen. Jürgen Resch, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe sieht das anders. Er klagt vor dem Landgericht in Berlin und verlangt, dass Facebook nicht nur einzelne Schmähungen gegen ihn löschen soll, sondern gleich eine ganze Facebook-Gruppe mit mehr als 50 000 Mitgliedern (vergleiche dazu Hate-Speech auf Facebook unter https://taz.de/Hate-Speech-auf-Facebook/!5923843/). Resch sieht sich in seiner Klage durch den Erfolg der Grünen-Politikerin Renate Künanst gegen Facebook bestätigt:

Künast hatte Facebook per Gerichtsbeschluss auffordern wollen, die Identitäten einiger Facebook-User preiszugeben, die sie als „Pädophilen-Trulla“ und „Gehirn amputiert“ und anderes mehr beschimpft und ihr unterstellt hatten, im Jahr 1986 gewaltfreien Geschlechtsverkehr mit Kindern befürwortet zu haben. „Nach einem jahrelangen Rechtsstreit kam das Kammergericht in Berlin zu dem Schluss, dass auch diese Äußerungen eine Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch (StGB) darstellen – Facebook muss jetzt die Daten der postenden Nutzer und Nutzerinnen herausgeben (Beschl. v. 31.10.2022, Az. 10 W 13/20). Für Künast, die Organisation HateAid, die das Verfahren unterstützt, und für Künasts Anwalt Dr. Severin Riemenschneider, ist das ein wichtiger Erfolg: ›Als im Jahr 2019 schlimmste Beleidigungen wie ‚Stück Scheisse‘ als zulässige Meinungsäußerungen eingestuft wurden, wagte an diesen Ausgang niemand zu denken‹, so Riemenschneider“ (Anneliese Kaufmann, Doch noch ein voller Erfolg gegen Hass-Kommentare. In: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/kg-berlin-10w1320-renate-kuenast-hass-kommentare-facebook-falsches-zitat-kammergericht-bverfg-meinungsfreiheit-abwaegung/).

Der indigene Starjournalist Stan Grant zog für sich eine andere Konsequenz: Nachdem er aus Anlass der Krönung von Prinz Charles zum König berichtet hatte, was die Monarchie für ihn und sein Volk bedeuten, wurde er von den australischen Monarchisten mit Hass überzogen. „Die Zeitungen und Sender des australisch-amerikanischen Medientycoons Rupert Murdoch skandalisierten Grants Krönungsauftritt“ (Jan Bielicki, Die Wahrheitsbombe. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 117, 23. Mai 2023, S. 19). Für ihn war das zu viel. Er schmiss seinen Job mit der Begründung hin, dass Rassismus ein Verbrechen ist. „Rassismus ist Gewalt. Und ich habe genug“ (Jan Bielicki, a. a. O.). Hass kann demnach jeden treffen. Hass ist alltäglich geworden.

Der an der Kunsthochschule Kassel forschende Daniel Hornuff (vergleiche dazu https://kunsthochschulekassel.de/personen/hornuff-daniel.html) zeigt in seiner Studie ›Hassbilder‹ auf, dass Hass-Postings in den Sozialen Medien oft mit Hassbildern in Umlauf gebracht werden. Wer bei Hass-Postings nur an die Hasskommentare denkt, unterschätzt, die Gefahr, die vom Hass in den Sozialen Medien ausgeht. Hornuff erinnert einleitend an die Forderung von Renate Künast, die Identitäten einiger Facebook-User preiszugeben. Bei der anfänglichen Ablehnung ihrer Forderung hat kaum jemand die Frage gestellt, welche Rolle Bilder in diesem Zusammenhang gespielt haben. „Da Bilder kein Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung waren und auch sonst kaum einmal mit Hassbotschaften in Verbindung gebracht werden, schien die Frage nach ihnen obsolet. Dabei hatten sie ausgerechnet in diesem Fall erhebliche Bedeutung für die Formierung des Hasses“ (Daniel Hornuff S. 6). 

Hassbilder lassen sich nach Hornuff nur über den Kontext ihrer Verwendung definieren. Ein Hassbild ist „ein Bild, das durch seine Verwendung die Aufgabe erhält, durch ästhetische Unterstützung oder Ergänzung die Abwertung von Personen und/oder Personengruppen zu kommunizieren – mit dem Ziel, diese Personen zu schädigen. Daraus folgt, dass ein Bild aus sich selbst heraus keinen Hass erzeugt, transportiert oder stimuliert. Ein Bild kann (!) aber zu einem Hassbild werden, sobald es in einen sprachlich verfassten Kontext eingeht, mit dem Hass erzeugt oder verbreitet wird … Hassbilder sind demnach Bilder, die den Hass in Form bringen – und somit Bilder, die notwendig im Zusammenspiel mit Texten in Erscheinung treten“ (Daniel Hornuff S. 14). Typisch für derartige Hassbilder ist der Versuch, Abwertungsmuster zu reaktivieren und diesen Mustern eine Form zu geben. Das gilt auch für die antijüdischen Hass-Memes gegen den Milliardär und Philanthropen  George Soros (vergleiche dazu https://www.belltower.news/antisemitischer-hass-auf-soros-als-gemeinsamer-nenner-der-internationalen-rechten-47790/), aber auch für die jihadistische Internet-Propaganda (vergleiche dazu https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/hintergruende/DE/islamismus-und-islamistischer-terrorismus/jihadistische-internetpropaganda.html#doc812056bodyText1).

Hassbilder in den Sozialen Medien sind demnach das Ergebnis kommunikativer Verkettungen und keine psychische Regung. Sie werden als Instrumente der Denunziation eingesetzt (vergleiche dazu A.Paul Weber, der Denunziant unter https://www.weber-museum.de/werk/gesellschaftskritik.html), fördern unabhängig von der politischen Gesinnung Gewalt, werden durch Gesten der Originalität schleichend reproduziert und können durch Counter-Bilder entkräftet und verarbeitet werden (vergleiche dazu https://www.facebook.com/VerlagKlausWagenbach/videos/174481417192924).

ham, 25. Mai 2023

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