Verlag Antje Kunstmann, München 2020, ISBN: 3956143647, 208 Seiten, 102 Illustrationen, Hardcover gebunden mit Lesebändchen, Format 17 x 15 cm, € 15,00 (D) / 15,50 (A)

Klassische Psychoanalysen dauern 240 Sitzungen à 50 Minuten, manchmal auch 300 Sitzungen; die Kosten werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien kommen mit 100 Sitzungen aus, Verhaltenstherapien mit bis zu 80 und Kurzzeittherapien mit 25 (vergleiche dazu Werner Eberwein, Wie lange dauert eine Psychotherapie? In: https://www.werner-eberwein.de/wie-lange-dauert-eine-psychotherapie/). Deshalb zweifelt man daran, ob 100 Therapien in 100 leicht lesbaren kurzen Buchseiten abgehandelt werden können. Den Texten des in Helsinki praktizierenden Psychotherapeuten Antti Ervasti sind linker Hand Illustrationen des renommierten Buchkünstlers Matti Pikkujämsä (vergleiche dazu https://www.google.de/search?q=matti+pikkuj%C3%A4ms%C3%A4&tbm=isch&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwjs6OuDiJLoAhUqwAIHHTLIDGAQsAR6BAgKEAE

&biw=1588&bih=888#imgrc=omTDtF5WTSZzoM) an die Seite gestellt, die die therapeutischen Skizzen treffend ins Bild setzt. Über jeder Skizze wird der Buchtitel „Hab dich gern!“ wiederholt; damit wird er zur zentralen Botschaft. 

So stellt Kapitel 3 fest, dass echtes Selbstvertrauen von innen kommt. Deshalb soll man an sich selbst glauben und sich so schätzen, wie man ist: „Dein Leben ist einzigartig und bedeutsam. Es ist gut, die eigenen Schwächen zu erkennen und zu akzeptieren, doch das Wichtigste ist, dass du dir deine Unabhängigkeit bewahrst und dich bemühst, deine ganz persönlichen Ziele zu erreichen. Das ist das Fundament eines guten Lebens“ (Antti Ervasti S. 9). Auf der linken Buchseite steht ein Löwe, der die populäre Gegenposition skeptisch beäugt, die auf einem Flipchart festgehalten ist: ›Selbstvertrauen = Einkommen + Muskeln +Anzahl Sexualpartner +Penisgröße + Instagram-Followers‹. Die Lektüre der späteren Kapitel über Männlichkeit, soziale Medien, Beziehungen, Sexualität und Liebe macht klar, dass man diese Parolen in den Mülleimer werfen kann, wenn man Ervasti folgt. Der Mülleimer, den man dann braucht, ist schon einmal vorsorglich neben den Flipchart gestellt.

In Kapitel 11 geht es um Schuldgefühle und die Bereitschaft, Verantwortung für eigene Fehler zu übernehmen. In der Illustration rät ein kleiner Vogel dem Löwen ›Vergib dir selbst!‹. Dass nach wie vor umstritten bleibt, ob man sich überhaupt selbst vergeben kann, kümmert weder den Vogel noch den Löwen. Weitere Kapitel streifen den Umgang mit Hoffnungslosigkeit, Alleinsein, Angst, Panikattacken und negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit, die uns immer wieder einholen. Die Schlusskapitel sind dem inneren Kind und seinen erstaunlichen Potenzialen gewidmet. Nach Kapitel 97 kann uns unser inneres Kind in schwierigen Zeiten den Weg weisen und mit Hinweisen versorgen, wie die Antworten auf die Grundfragen des Lebens lauten. Nach Kapitel 98 lebt in jedem von uns immer noch das Kind, das wir einmal waren und nach Kapitel 99 ist es Teil von uns allen, unabhängig vom Alter: „Unser inneres Kind kann uns eine Menge mitteilen, wenn wir nur daran denken, ihm zuzuhören. Es kann uns etwas über Gefühle beibringen und Bedürfnisse, die unerfüllt bleiben, weil uns die Worte oder die Zeit dafür fehlen“ (Antti Ervasti S. 201). Nach Kapitel 100 kommen und gehen Gefühle wie das Wetter. „Es ist wichtig, nicht nur die unmittelbare Gefühlslage zu sehen, sondern darüber hinauszublicken. Wenn uns das gelingt, fällt es uns leichter, das Gleichgewicht zu bewahren“ (Antti Ervasti S. 203). 

Aufs Ganze gesehen weitet die Publikation den Blick für mögliche Problemstellungen, die in Therapien aufgearbeitet werden können. Aber die eigentlichen Therapien laufen dann doch ganz anders als die vergnügliche Lektüre dieses informierten Buchs.

ham, 10. März 2020 

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