Franz von Assisi – sein Leben in der ältesten Bildbiografie
Mit Fotografien von Stefan Diller
Patmos Verlag, Ostfildern 2025, ISBN 978-3-8436-1571-6, 160 Seiten, zahlreiche vierfarbige Fotografien, Hardcover mit Leseband, Format 24 x 17 cm, € 24,00
Franz von Assisi inspiriert geistlich offene Menschen seit über 800 Jahren durch seine Gebetstexte, seine Meditationen und vor allem durch seinen vermutlich Ende 1224 oder Anfang 1225 am Ende seines Lebens geschaffenen Sonnengesang zu einem pfleglichen Umgang mit der Schöpfung, zum Gotteslob, zur Liebe zu allen Mitgeschöpfen, zur Geschwisterlichkeit, zur Gerechtigkeit und zur Friedfertigkeit. Frühe Bildtafeln aus dem 16. Jahrhundert erzählen von seinem Leben und laden zur vertieften Betrachtung ein.
Die heute im »Kloster zum Mitleben« in Rapperswil tätige vormalige Franziskanerin Sarah Elisa Kreutzer und der ebenfalls in Rapperswil lebende Kapuziner Bruder Nikolaus Kuster greifen diese Tradition auf und laden in »Geerdet und beflügelt« zur neuen Begegnung mit Bruder Franz ein. Ausgangspunkt sind die zwanzig Szenen aus dem Leben des Ordensgründers, die Coppo di Marcovaldo vor 1250 auf der für die Franziskanerkirche von Florenz bestimmten Bildtafel geschaffen hat: Sie ist seine erste eigentliche Bildbiografie des Heiligen. Detailreich lässt sie „das Leben des Heiligen wie einen Film ablaufen. Bevor Kirchenbesucherinnen die einzelnen Szenen betrachten, fällt ihr Blick auf die Gestalt des Bruders. In Lebensgröße tritt dieser für die Betrachtenden, barfuß, in seine Kutte gekleidet, die Kapuze leicht zugeschlagen, als ob er eben aus dem Gebet käme: mit ruhigem Blick, segnender Hand und dem Evangelienbuch an seinem Herzen. Der goldene Hintergrund und der leuchtende Nimbus zeichnen Franz als Heiligen aus, der sich gleichsam vom Himmel her gegenwärtig macht“ (Niklaus Kuster/Sara Elisa Kreutzer, Seite 16). „Die Stigmata an Händen und Füßen, die an Jesu Wundmale erinnern, machen mittelalterlichen Betrachtenden auf den ersten Blick klar, dass es sich um Franz und keinen anderen Franziskaner- heiligen handelt.
Die an die linke und die rechte Seite der Mittelfigur gestellten Szenen führen, chronologisch gelesen, Schlüsselmomente aus der Biografie des Heiligen vor Augen. Der Künstler setzt mit der familiären Prägung und der Enterbung des späteren Heiligen durch den Vater ein, kommt in der siebten Tafel zur Vogelpredigt und in der achten zur Begegnung mit dem Sultan im offenen Religionsdialog. In der 15. Tafel geht es um vertrauensvolles Sterben, in der 16. um die Vertreibung von Dämonen und in der 20. um das Heilen von Kranken und Behinderten. „Das Schriftbild im Giebelfeld führt gelehrten Betrachtenden vor Augen, warum sich die Begegnung mit Franz lohnt. Der Text HUNC EXAUDITE PERHIBENTUM DOGMATA VITAE heißt übersetzt: ›Hört auf den, der Lehren für das Leben anbietet‹. Die Worte sind aus der Taborszene in den Evangelien und der Apostelgeschichte kombiniert: Sie verbinden den Messias Jesus Christus mit seinen Jüngern, die sein Evangelium in die Welt tragen. Die beiden Engel lassen, einander zugewandt und mit erhobenen Flügeln, an die Wächter der Bundeslade in Israels Zeltheiligtum und im Tempel von Jerusalem denken. Die Hand des himmlischen Vaters über dieser Szene deutet an, dass das Gesetz des neuen Bundes im Evangelium verkündigt wird. Franz trägt es mit seinem Leben in neuer Frische durch die Welt und verdeutlicht es als Christusjünger auf seinen Wegen: ermutigend, inspirierend und befreiend in Wort und Tat“ (Niklaus Kuster/Sara Elisa Kreutzer, Seite 19).
In der Publikation verbinden sich biografische mit hagiographischen, historiographischen und kunstgeschichtlichen Zugängen zu der Bildtafel. Sie macht verständlich, warum sich der am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires geborene und am 21. April 2025 in der Vatikanstadt verstorbene Jorge Mario Bergoglio SJ nach seiner Wahl zum Bischof von Rom und damit zum Papst Franziskus genannt hat und ist für jeden spirituell Interessierten mit großem Gewinn zu lesen.
ham, 14. Mai 2025