In Karlsruhe beteiligte Künstler: Edith Dekyndt, William Forsythe und Santiago Serra –In Stuttgart beteiligte Künstler: Frank Ahlgrimm, Nú Barreto, Tim Berresheim, Harald Braun, Marc Brickman, Anne-Lise Coste, Sinje Dillenkofer, Magnus Gjoen, huber.huber, Samson Kambalu, Robert Longo, Josephine Meckseper, Matt Mullican, Julio Rondo, Slavs and Tatars, Fredrik Værslev
Wenn die Ausstellung BLACK FLAGS im ZKM ein halbes Jahr länger und nicht nur bis zum 6. Oktober 2024 zu sehen gewesen wäre, hätte sie direkt mit der sieben Wochen später in der Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff in Stuttgart gezeigten Ausstellung FLAG verglichen werden können (vergleiche dazu https://zkm.de/de/ausstellung/2024/06/black-flags-edith-dekyndt-william-forsythe-santiago-sierra und https://www.reinhardhauff.de/exhibitions/exhibition-detail/flag-29).
Blickfang in Karlsruhe war die von dem Choreografen William Forsythe 2024 geschaffene immer gleichbleibende Aufführung von zwei auf Industrierobotern installierten schwarzen Fahnen, die die analoge choreografische Vorlage in das Gebiet des Absoluten und die Choreografie in eine ideale, aber maschinelle Isolation übersetzt hat. Dazu kamen Fotografien der 2015 von Santiago Serra am Nord- und Südpol aufgestellten schwarzen Flaggen, die nationalstaatliche Gesten kolonialer Besitznahmen konterkariert haben.
Das Video Ombre indigène (Part 2, Martinique) (2014) der in Brüssel lebenden Künstlerin Edith Dekyndt (* 1960, Ypern, BE) zeigt eine Fahne aus schwarzem Haar. Die Videoaufnahme entstand unweit der Grabstätte des karibischen Philosophen und Schriftstellers Édouard Glissant (1928-2011). Sie verweist auf Ideen des Vordenkers der postkolonialen Kulturtheorie, der mit seinem Konzept der Kreolisierung Prozesse kulturellen Austauschs beschrieb, die nicht durch Angleichung gekennzeichnet sind, sondern durch Vielfalt und das Entstehen neuer, unvorhersehbarer Formen. Im September 2022, acht Jahre nach seiner Entstehung, ging das Video in den sozialen Medien viral und wurde zu einem Symbol der iranischen Protestbewegung gegen das verpflichtende Tragen des Kopftuchs (vergleiche dazu https://www.droog.com/me-you-us-them/edith-dekyndt-ombre-indigene-part-2-martinique/).
Die Stuttgarter Ausstellung FLAG lädt dazu ein, sich eine Flagge über einem von Militärfahrzeugen verwüsteten, mit Granatsplittern übersäten und von den letzten Überlebenden verlassenen modernen Schlachtfeld vorzustellen: Sie wäre ein ambivalentes Zeichen des Friedens und der Zerstörung.
Die Flagge gilt als das am weitesten verbreiteten Signal der Menschheit. Sie kann ein Versprechen des guten Willens oder ein Omen des Untergangs sein. Viele Flaggen wurden zerrissen. Andere müssen noch gewebt werden. Einige sind schon jetzt angereichert mit Blut, Schweiß und Tränen. Nicht weit entfernt von der heutigen militärischen Kriegsführung greift die Gruppenausstellung FLAG in der Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff die Flagge als zentrales Motiv auf. Die ausgestellten Flaggen unterscheiden sich in ihren Mustern und ihrer Darstellung und erzählen Geschichten von verzehrenden Mächten, suggestiver Politik und ironischen Begegnungen (https://www.reinhardhauff.de/exhibitions/exhibition-detail/flag-29#list-home).
ham, 16. Dezember 2024