Aus dem Amerikanischen von Klaus-Dieter Schmidt

Pantheon Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, 3. Auflage 2019, ISBN 978-3-570-55408-1, 320 Seiten, Klappenbroschur, Format 20 x 12,5 cm, € 14,00 (D) / € 14,40 (A)

Nach einem Interview von Altbundeskanzler Gerhard Schröder mit dem Deutschlandfunk vom  6. März 2012 ist „Putin … ein lupenreiner Demokrat“ (vergleiche dazu etwa https://www.nordbayern.de/2.5886/schlagzeilen/gerhard-schroder-putin-ist-ein-lupenreiner-demokrat-1.1902491). Als Schröder zwei Wochen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und zehn Jahre nach seinem Interview nach Moskau ging, um bei seinem Freund Wladimir Wladimirowitsch Putin im Ukraine-Krieg zu vermitteln (vergleiche dazu https://www.welt.de/politik/ausland/article237445791/Gerhard-Schroeder-hat-in-Moskau-erstes-Gespraech-mit-Putin-gefuehrt.html), wird er wohl auch überlegt haben, ob er 2012 richtig lag. Dass Putin eher Autokrat als Demokrat ist und sich jetzt in einen Militärdiktator verwandelt hat, ist vielfach beschrieben worden. Und wenn der Ex-US-Präsident Donald Trump Putins Vorgehen in der Ukraine als „genial“ und „schlau“ bezeichnet  (vergleiche dazu https://www.handelsblatt.com/politik/international/konflikt-mit-russland-das-ist-ein-mann-der-sehr-klug-ist-trump-nennt-putin-genial/28095336.html), zeigt das wie schon der Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar 2021, dass er die einen Rechtsstaates konstituierenden Mechanismen nicht oder bewusst mißverstehen will.

Für den Tod einer Demokratie braucht es aber nicht zwingend einen Krieg, einen Putsch oder eine Revolution. Demokratien können auch im politischen Alltag dahinsiechen und mit einem Wimmern sterben, wenn die Bürger nicht rechtzeitig aufwachen. Den beiden Harvard-Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt liegt daran, dass das nicht passiert. Deshalb denken sie in ihrer Studie über neue Arten des Autoritarismus über Vorboten von demokratischen Krisen nach, die in Amerika insbesondere in den Jahren der Trump-Regierung zu finden waren.

Die USA haben bislang als eine weitgehend stabile Demokratie gegolten, weil die Führer der beiden großen Parteien sich gegenseitig als legitime Vertreter des Volkes anerkannt und der Versuchung widerstanden haben, ihre zeitweilige Macht zu nutzen, um die Vorteile für ihre eigene Partei zu maximieren. Das machte die beiden großen Parteien zu Hütern der Demokratie. Unter Trump haben sie versagt.

Er kam mithilfe rechter Krawallmedien wie den Fox-News ins Amt, die die Lauterkeit und Kompetenz der anderen Seite kaputt geredet und existentielle Gefahren beschworen haben. Dazu ist der Reiz des Egomanen und Regelbrechers gekommen, dem große Teile des vernachlässigten Amerikas verfielen und weiter die ideologische, soziale, ethnische und kulturelle Spaltung des Landes. Trump blieb anders, als es die Parteien erwartet hatten, auch im Amt seiner Erfolgsformel treu und hat Chaos verbreitet und Zwiespalt gesät. Und spätestens nach seiner verlorenen Wahl vergriff er sich an der Verfassung. Wenn aber die Wahrheit stirbt, die Lügen alltäglich werden und der Rechtsstaat mit Gewalt von innen heraus ausgehöhlt werden soll, ist Gefahr im Verzug.

Levitsky und Ziblatt schließen so: „Frühere Generationen von Europäern und Amerikanern haben enorme Opfer gebracht, um unsere demokratischen Institutionen gegen äußere Bedrohung zu verteidigen. Unsere Generation, die in einer Zeit aufgewachsen ist, in der die Demokratie für selbstverständlich gehalten wurde, steht jetzt vor einer anderen Aufgabe: Wir müssen verhindern, dass sie von innen zerstört wird“ (Steven Levitsky / Daniel Ziblatt S. 272). Die Studie wurde zurecht mit dem mit 15 000 Euro dotierten NDR Kultur Sachbuchpreis 2018 als bestes Sachbuch des Jahres ausgezeichnet und ist nach wie vor lesenswert.

ham, 12. März 2022

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