Künstlerbuch zur gleichnamigen Ausstellung in der Albertina, Wien, vom 1. November 2023 bis 1. April 2024, herausgegeben von Angela Stief und Klaus Albrecht Schröder. Mit Texten von Monika Ring, Nina Schedlmayer und Angela Stief

Albertina, Wien, und Hirmer Verlag, München, 2023, ISBN 978-3-7774-4244-0,224 Seiten, 130 Abbildungen in Farbe, Broschur, Format 24 x 17 cm, € 32,90

Die 1961 in Freiburg im Breisgau geborene Katharina Grosse hat an den Kunstakademien Münster und Düsseldorf bei Norbert Tadeusz und Gotthard Graupner studiert, 1998 in Sydney (vergleiche dazu https://www.katharinagrosse.com/works/1998_4003a) und in Bern (vergleiche dazu https://www.katharinagrosse.com/works/1998_4004c) ihre ersten mit der Spritzpistole gefertigten Wandarbeiten geschaffen, danach die Kunstwelt im Sturm erobert und unter anderem in Bonn, New York, Berlin, Haifa, Paris, London, Helsinki, Osaka, München, Busan, Karlsruhe, Düsseldorf, Buffalo, Taipei, Tokyo, Florenz Los Angeles, Zürich, Zagreb und zuletzt im Kunstmuseum Bern (vergleiche dazu https://www.srf.ch/play/tv/kulturplatz/video/katharina-grosse?urn=urn:srf:video:2c1b921f-ab1a-4f6b-be63-60df44ed6002), bei Max Hetzler (vergleiche dazu https://www.maxhetzler.com/exhibitions/katharina-grosse-spectrum-without-traces-2023), bei Gogosian in Hongkong (vergleiche dazu https://gagosian.com/exhibitions/2023/katharina-grosse-touching-how-and-why-and-where/) und in der Albertina in Wien ausgestellt (vergleiche dazu https://artinwords.de/wien-albertina-katharina-grosse/).

Sie gehört damit zu den am meisten beachteten Künstlerinnen der Gegenwart. Für Klaus Albrecht Schröder besticht ihre Malerei durch die Kraft und Intensität der Farbe. „Wie das wilde Denken ist sie experimentell und unberechenbar. Expansion und permanente Grenzüberschreitung, Freiheit und Autonomie bilden die Grundpfeiler dieses Œuvres. Die Künstlerin, die in Berlin und Neuseeland lebt und arbeitet, überwindet häufig das klassische Bildgeviert: Gemälde, Assemblagen und Installationen im Raum betonen und konterkarieren den Ort, bemühen den Genius Loci. Die vibrierenden Farbfelder von Katharina Grosse überziehen ganze Architekturen, Objekte und weite Flächen im öffentlichen Raum. Oberflächen werden gefaltet und ragen in die dritte Dimension“ (Klaus Albrecht Schröder S. 139). Für die historischen Räume der Albertina hat Grosse ein begehbares Bild geschaffen, „das sich über Wand, Decke, Boden in den Raum ausbreitet“ (Klaus Albrecht Schröder  a. a. O.).

Sie verwandelt damit den Ort in „ein Universum aus Farbe: In zentrifugalen und konzentrischen Bewegungen fließen […] Farbströme und -stränge in gegenläufige Richtungen, zerstäuben im Nichts, um sich im harmonischen Einklang oder im Wechselspiel vom Formbildung und -auflösung wiederzufinden“ (Angela Stief S.143). „Symbolisch wird der Ausstellungsraum, der auch Ort des Malprozesses ist, zur erweiterten Leinwand, ist aber auch Ort der Konzentration: ›Im Atelier möchte ich einen radikalen Punkt der Regression erreichen oder untersuchen, wie viel Kompression auf einer Leinwand möglich ist. Dort schrumpft das Bildfeld bis zu dem Punkt, an dem es zu einer verengten, überladenen Erfahrung wird‹.

Im Studio, aber auch in Ausstellungen wie dieser hat die Leinwand ihren Status verändert, markiert einen ironischen Verzicht auf ihren klassischen, kunsthistorischen Stellenwert und ist nicht mehr als eine gewöhnliche Oberfläche, ein Textil wie jedes andere. Grosse nutzt Leinwände als temporäres Utensil, Schablone, Versatzstück im buchstäblichen Sinne, belässt sie ohne Rahmen, pinnt sie an die Wand, versetzt sie anschließend wieder. Bestand hat sie nur als bewegliches Fragment […]. Grosses Atelieridee bedeutet, dass die Tätigkeiten von Ausstellen und Kunstproduzieren eng miteinander verschränkt sind. Sie bedeutet auch eine Abkehr von gewohnten Arbeitsabläufen im Ausstellungswesen: Alle in Grosses Albertina-Schau gezeigten Werke, Gemälde, Installationen und Skulpturen entstehen in situ […]. Im Zentrum der Ausstellung steht der vermeintlich unsichtbare Raum der Produktion mit seinen zahlreichen Konnotationen zwischen erprobtem Laboratorium und Experimentierwerkstatt“ (Angela Stief S. 149 f.).

Das zur Ausstellung in der Albertina erschienene Künstlerbuch fällt durch seine aggressive Farbgestaltung völlig aus der Reihe. Farbe wird selbst im Katalog physisch erlebbar. Der Katalog wird zum Buchobjekt.

ham, 16. November 2023

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