C. Bertelsmann Verlag, München 2019, ISBN: 978-3-570-10334-0, 208 Seiten, Hardcover, Pappband, mit Schutzumschlag, Format 22 x 14,5 cm, € 18,00 (D) / € 18,50 (A) / CHF 24,90

Um öffentliche Aufmerksamkeit muss sich der 1960 in Gießen geborene deutsche Astrophysiker, Naturphilosoph, Wissenschaftsjournalist, Fernsehmoderator, Professor für Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Lehrbeauftragter für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München nicht zu sorgen (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Harald_Lesch und https://www.usm.uni-muenchen.de/people/lesch/lesch.html). Gleichwohl lässt der bekennende Protestant (vergleiche dazu https://www..pro-medienmagazin.de/ich-bin-vom-scheitel-bis-zur-sohle-protestant-harald-lesch-im-interview) keinen Zweifel daran, dass er sich von den Gesetzmäßigkeiten der Entstehung des Universums überwältigt fühlt. Er kann diese Gesetze  zwar bis an den Rand des Universums und bis 10 hoch minus 43 Sekunden nach dem Urknall erforschen und weiß, dass er sich wie wir alle aus Sternenstaub besteht, aber er ist auch bereit, über den Abgrund des Erkennbaren hinaus zu denken und zu glauben. 

„Sowohl der Gläubige als auch der Ungläubige muss immer über diesen Abgrund, den Zweifel, hinüber. Die Wissenschaft arbeitet daran, den Zweifel möglichst klein zu halten […]. Der Zweifel ist das, was mich am meisten mit Gott verbindet. Was bedeutet das? Für mich ist die Frage nach Gott ein ›Ruf auf die andere Seite‹. Wenn man versucht, aus den Naturwissenschaften auf die Eigenschaften von Gott zu schließen, dann kann das eigentlich immer nur schief gehen. Ich bin ein großer Freund von Nikolaus von Kues. Der war der Meinung, dass bei Gott alle Widersprüche zusammenfallen müssen. Sogar der Satz vom Widerspruch (eine Aussage darf nicht zugleich wahr und falsch sein) dürfe bei Gott nicht mehr gelten. Das heißt, alles Reden von Gott muss eigentlich immer voller Zweifel sein, denn was kann ich über Gott schon aussagen? Unser christliches Gottesbild ist ja ein sehr personales, dem ich persönlich auch anhänge, weil ich glaube, dass wir Menschen uns nichts anderes vorstellen können als einen personalen Gott. Wir könnten uns keine rumwabernde kosmische Energie vorstellen, die zwar den Kosmos geschaffen hat, aber mit meinem Schicksal gar nichts zu tun hat. Der Zweifel ist für mich der Weg, der auch im Gespräch mit Gott immer mittendrin steht“ (Harald Lesch, „Ich bin vom Scheitel bis zur Sohle Protestant“, a. a. O.).

Seine 2019 veröffentliche Publikation „Was hat das Universum mit mir zu tun?“ und sein im Kontext des Wissenschaftsjahrs 2023 „Unser Universum“ an der Ludwig-Maximilians-Universität München gleichnamiger Vortrag legen dar, wie genau sich die von Albert Einstein zwischen 1905 und 1915 entwickelte allgemeine Relativitätstheorie durch jüngste astronomische Instrumente wie das James-Webb-Weltraumteleskop bestätigen lassen (vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/James-Webb-Weltraumteleskop). Demnach ist unser Universum 13,82 Milliarden Jahre alt und unser Sonnensystem 4,567 Milliarden Jahre. „Der Materialkreislauf in der Milchstraße ist die Bedingung der Möglichkeit, dass es im Universum Leben gibt. Nur deshalb können sich Planeten bilden. Und nur auf Planeten kann Leben entstehen. Man kann die Begründung für den Materialkreislauf sogar noch weiter fassen: Das Gravitationsspiel der Milchstraße garantiert, dass das Material explodierender Riesensterne nicht einfach ins Universum entweicht. Wir sind Kinder der Milchstraße“ (Harald Lesch S. 62). Das Universum hat heiß, dicht und homogen angefangen. Heute ist es kalt, dünn und geklumpt. Und das ist die Voraussetzung für unsere Entwicklung.

Wie hat aber die Entwicklung des Lebens angefangen und was sind die Bausteine, aus denen Lebewesen bestehen? Die Antwort. „Kohlenstoff und Stickstoff als Formträger und Verbindungsbaustoffe, Sauerstoff als Energieträger und Wasserstoff, weil dieser das häufigste Element im Universum ist und überall gut Verwendung findet, vor allem als Wasser. Stickstoff (N), Sauerstoff (O), Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H), abgekürzt NOCH […]. Es sind also chemische Elemente erforderlich, die in der Lage sind, große, strukturierte Moleküle aufzubauen. Der Ablauf scheint gesichert, denn aus einfachen Molekülen werden durch Synthesen immer größere Moleküle. Die sie daraus ergebenden ganz großen Moleküle müssen zwei wichtige Eigenschaften besitzen: Einerseits sollen sie ihre Form erhalten, also konservativ sein. Der unveränderliche Teil ist gewissermaßen der Fels, auf dem das Leben aufbaut. Seine Stabilität darf allerdings nicht absolut sein, sondern diese sehr langen Moleküle, die sogenannten Polymere, müssen in ihrem Aufbau die Möglichkeit zu neuen Verbindungen eröffnen, sodass an ihren Rädern immer wieder neue molekulare Variationen gebildet werden können – allerdings ohne, dass die Funktion des ganzen Moleküls zerstört wird […]. 

Zunächst war Evolution, molekulare Evolution. Bis zum richtigen Lebewesen war es da noch ein weiter Weg. Es mussten zunächst Moleküle auftreten, die in der Lage waren, ihre Umgebung so zu manipulieren, dass Stoffe entstanden, die wiederum für ihre eigene Synthetisierung wichtig waren. Bereits in den 1970-er Jahren zeigte Manfred Eigen mit seinem sogenannten Hyperzyklus, wie in der organischen Chemie Reaktionen in einer vernetzten, rückgekoppelten Kreisform sich gegenseitig immer wieder so unterstützen, dass am Ende ein bestimmter Stoff immer wieder aufs Neue aufgebaut wird. Die Voraussetzung dafür ist, dass bestimmte Stoffe aus der Außenwelt in den Zyklus hineintransportiert, eingebaut werden. Das ist der Beginn einer Form von Leben, die nicht unbedingt mit dem Leben, wie wir es heute kennen, zu tun hat, doch ganz sicherlich in der ganz frühen Phase der Evolution eine wichtige Rolle spielt. Der ultimative Außenraum ist das Universum, es ist die größte vorstellbare Umgebung. 

Was hat also das Universum mit dem Ursprung des Lebens zu tun? Klar, die richtigen Elemente (NOCH) müssen bereitstehen […]. Ein Element unterscheidet sich vom vorhergehenden dadurch, dass sich im Kern ein Proton mehr befindet. Das Element Nummer eins im Periodensystem, Wasserstoff, hat nur ein Proton, das Element Nummer 2, Helium, hat zwei, und das Element Nummer 3, Lithium, hat – richtig gerechnet! –drei usw. Und es gibt keine Lücken im Periodensystem […]. Element Nummer 1 ist schon immer da, wurde schon in der ganz frühen Phase des Universums erzeugt. Dann kommt Element Nummer 2, Helium, zwei Protonen im Kern und im Normalfall auch mit zwei Neutronen. Das ist ein sogenannter Alpha-Kern, das ist eine besonders stabile Konfiguration, die bereits im frühen Universum, aber auch in Sternen durch Fusion erbrütet wird. Helium ist für das Leben an sich interessant, doch für die Produktion von CNO, also Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, ist der Kern des Heliums sehr wichtig. Alle Elemente müssen ja in sehr großen, sehr heißen Sternen durch die Verschmelzung von kleineren Kernen aufgebaut werden. Diese Sterne geben durch ihre Supernova-Explosionen die erbrüteten Elemente wieder ans Universum zurück […].

Nun zu Nummer 6 im Periodensystem, dem für das Leben so wichtigen Kohlenstoff. Er besteht aus sechs Protonen und sechs Neutronen. Der Atomkern von Kohlenstoff setzt sich aus drei Heliumkernen, also drei Alpha-Teilchen zusammen. Sauerstoff, Nummer 8, hat 16 Kernbausteine, also acht Neutronen, acht Protonen, mit anderen Worten vier Heliumkerne. Diese sogenannten Alpha-Elemente werden bei der Fusion innerhalb von Sternen bevorzugt […]. Für die Erzeugung der für das Leben so wichtigen Elemente Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff sind schrittweise Kernverschmelzungen von zunächst zwei Heliumkernen notwendig. Der dabei auftretende Berylliumkern gehört zu den ›stabilsten instabilen‹ Kernstrukturen, und nur deshalb, weil er so lange stabil ist, kann ein dritter Heliumkern mit ihm zu einem Kohlenstoffkern verschmelzen. Es bedarf also ganz besonderen Kernprozesse in sehr schweren, sehr großen, sehr heißen Sternen, damit die Endprodukte der Fusionsprozesse für das Leben taugliche Elemente sind […].

Geben wir uns einmal für einen Moment dem Gedankenexperiment hin, dass der Sauerstoff, den man einatmet, von diesem einen Stern kommt […]. Der 25-mal so schwer war wie die Sonne und der vor 4,6 Milliarden Jahren explodiert sein muss – das sagen uns die Meteoriten. Das würde bedeuten, dass wir alle stellare Asche einatmen. Wir sind praktisch Sternenstaub. Man kann die Elemente, aus denen wir bestehen, zusammenzählen. Ergebnis: Bis auf den Wasserstoff, der ganz früh im Universum entstand, bestehen wir zu 92 Prozent aus Material, das in Sternen erbrütet wurde (Harald Lesch S. 99 ff.). 

Zurück zu der Sache mit dem Leben. Wann hat das Leben eigentlich auf unserem Planeten angefangen? Zunächst einmal gab es für mehr als drei Milliarden Jahre auf der Erde offenbar nur Einzeller. Was ist dann passiert? Nach dem heute in der Biologie bevorzugten Standardmodell gehen alle Lebewesen auf den letzten gemeinsamen Ahnen LUCA zurück, der vor mindestens 3,6 Milliarden Jahren gelebt hat (vergleiche dazu Am Anfang war Luca. In: https://www.zeit.de/wissen/2016-07/evolution-ursprung-leben-mikrobiologie-luca?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F). „Insgesamt ergeben die Funde der allerersten Lebensspuren, dass das Leben auf der Erde unter vergleichsweise extremeren Bedingungen begonnen hat […]. Die Entstehung von molekularen Strukturen, die sich selbst organisierten und damit auch weiterentwickelten, brauchte die chemischen Elemente, und dafür war das Universum nötig, das diese Elemente bereitgestellt hat. Unser Leben hier auf der Erde ist Teil dieses riesengroßen Kreislaufs der Materie, wie er in der Milchstraße seit vielleicht 13,2 Milliarden Jahren stattfindet. Die Möglichkeit, dass sich auf einem Planeten Leben entwickelt, hängt von sehr vielen, höchst bemerkenswerten Einflussfaktoren ab, die sich alle letztlich auf das Universum beziehen […]. Man könnte spekulieren, ob sich das Universum vielleicht nicht selber überrascht hat. So kann Materie also auch sein, so ganz anders als die passiven Materiebrocken, Gaskugeln und Galaxien. Leben ist etwas Besonderes, das Universum macht sich viel Arbeit damit, und tatsächlich sind wir nicht nur Sternenstaub, sondern auch ein ziemlich interessanter Teil der kosmischen Geschichte, vielleicht einer der ganz wenigen Bestandteile des Kosmos, die über sich selber sprechen können“ (Harald Lesch S, 107 f.).

Wer Leschs Ausführungen im Ganzen und im Detail folgen möchte, findet ein Video mit einer Kurzfassung des Themas und weitere Vorträge zur Kosmologie unter dem Link https://link.video-wissen.de/CBertelsmann-Lesch/0/, in seiner Sendereihe Krise der Kosmologie unter dem Link https://www.youtube.com/playlist?list=PL7siVIUmPpIE6RHnD34z594yOdjWxbbTy und in der Reihe Terra X & Co unter dem Link https://www.youtube.com/channel/UC5E9-r42JlymhLPnDv2wHuA.

ham, 12. Juni 2023

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